Aus den unterschiedlichsten Fragmenten römischer Militärlager ist ein System erkennbar, dass römische Truppen ihre Feldlager nach einem bewährten Schema errichteten. Immer, wenn das Gelände es ermöglichte, wurde entsprechend einer standardisierten Vorlage ein Feldlager angelegt, zumindest wurden Teilbereiche der Vorgaben berücksichtigt. Dies hatte den Vorteil, dass jeder bei seiner Ankunft auf dem Lagergelände wusste, wo sein Standort war und welcher Einsatz von ihm erwartet wurde.
Bei einem Lagerbau hatte die Sicherheit und die ungestörte Nachtruhe der Kampftruppen oberste Priorität. Für die mitgeführten Pferde und Lasttiere wurde eine möglichst ungestörte Zone geschaffen, um bei einer unkontrollierbaren Situation eine Panik im Lager unter den Tieren zu vermeiden. Für die Verwirklichung dieser Vorgaben war ein ausreichender Sicherheitsabstand vom äußeren Grabenrand bis zu den Lagerplätzen zu berücksichtigen.
Über die Breite des Sicherheitsstreifens - insbesondere bei Feldlagern - gibt es sehr unterschiedliche Angaben. Der römische Berichterstatter Polybios ( 2. Jahrhundert v. Chr.) berichtet über eine Breite von 200 röm. Fuß, während Hygin ( 3. Jahrhundert n. Chr. ) von einer Breite von nur 150 Fuß berichtet, wobei die Breite der Lagergräben, die Breme vor der Lagermauer, die Breite des Lagerwalls, inklusiv der Lagerstraße innerhalb des Walls berücksicht wurden *10) .
Hilfreich und richtungsweisend sind die Ausgrabungsbefunde von den römischen Feldlagern an der Lippe, die zur Zeit der Germanenoffensive in den ersten 10 Jahren des 1. Jahrhunderts n. Chr. bestanden. Danach sind die Breiten innerhalb der Lagermauer zwischen 50 und 80 Fuß. Für das erste Feldlager an der Erftmündung ist eine Breite für Doppelgräben, Breme und Lagerwall mit rund 60 Fuß anzunehmen. Verbliebe für das Intervallum - nach Hygin - innerhalb des Walls noch eine maximale Breite von 90 Fuß.
Abb. 12 - Die erforderliche Sicherheitszone mit dem verbleibenden Innenbereich des ersten Feldlagers in Novaesium
Unter Berücksichtigung aller bekannten Fakten des römischen Lagerbaus kann man beim ersten Neusser Feldlager von einem polygonen Grundriss und einer Lagerfläche von rund 13,5 ha ausgehen. Nach Abzug des obligatorischen Intervallums von 90 Fuß I>( ein röm. Fuß entspr. 29,6 cm ) verbleiben noch 8,5 ha als Standfläche für Zelte, Lagerstraßen und Stellplätze für Pferde und Tragtiere übrig. Um diese Restfläche optimal zu nutzen, gab es genau definierte Vorgaben über Form und Größe der Lagerplätze der unterschiedlichen Kampftruppen.
Die Lagerplätze der Infanterie lagen am Rand des Intervallums, um im Notfall schnellstmöglich auf den Lagerwall zu gelangen. Großzügige Lagerstraßen bzw. Gassen wurden gleich zu Anfang eingeplant, um sich bei einem Einsatz oder beim Ausrücken nicht gegenseitig zu behindern.
* 10) Heinrich Nissen - Geschichte von Novaesium / S.22