Text und Grafik: Heinz Birkenheuer

1. 2 Die Toranlagen

In der vierten Bauphase des Neusser Legionslager gab es in der Lagerumwehrung vier unterschiedliche Toranlagen.



Die vier unterschiedlichen Toranlagen
Grafik: Heinz Birkenheuer
Von der Porta Praetoria ( Rheinseitig )gibt es drei unterschiedliche Fundamentreste die sich überschneiden. Von der Porta Decumana ( Landeinwärts )gibt es zwei überschneidende Fundamentreste. Von der Porta Principalis sinistra ( Richtung Stadt Neuss) gibt es nur ein zusammenhängender Fundamentbereich und von der Porta Pratoria dextra ( Richtung Köln ) gibt es nur einen unvollständigen Fundamentriss.
1.2.2 Porta Principalis
sinistra
1.2.1 Porta Praetoria

1.2.4 Porta Decumana

1. 2. 1 Porta Praetoria

Die zur Feindseite ausgerichtete PORTA PRAETORIA . war als Repräsentationsanlage besonders prachtvoll ausgestattet. Diese Toranlage hatte eine Breite von 29,4 Meter und einen 12 Meter tiefen Vorhof. Von dieser Anlage sind drei unterschiedliche Bauweisen entdeckt worden. Die Letzte entstand mit der Errichtung der zweiten Steinmauer um 80 n. Chr. Auffallend ist der halbrunde äußere Vorhof mit den flankierenden Türmen. Von diesen Türmen konnten gleichzeitig die Außenseiten der Mauer, der äußere Torhof und das Vorfeld zum Rhein gesichert werden.

Von der Toranlage führte eine 18 Meter breite von Kolonnaden gesäumte Straße – die VIA PRAETORIA – direkt auf den Haupteingang der PRINCIPIA hin, dem zentralen Stabs- und Verwaltungsgebäude. Für einen Gast aus Rom oder für einen Repräsentanten eines befreundeten Fürsten bot sich beim Durchschreiten der PORTA PRAETORIA ein direkter Blick auf die weit voraus liegende eindrucksvolle Fassade der PRINCIPIA.

Bei der Errichtung der zweiten Steinmauer, mit ihrem hölzernen Wehrgang, wurde die Innenseite der Porta Praetoria in Fachwerkbauweise ausgeführt, während die Frontseite aus masives Mauerwerk bestand.

Innenseite der jüngsten Porta Praetoria

Rekonstruktion einer möglichen Ausführung aus der Zeit um 80 n. Chr.
Modell und Foto: Heinz Birkenheuer

Außenseite der jüngsten Porta Praetoria

Rekonstruktion einer möglichen Ausführung aus der Zeit um 80 n. Chr.
Modell und Foto: Heinz Birkenheuer

1. 2. 2 Porta Principalis sinistra

Die Kölner Str. zwischen Humboldt- und Grimlinghausener Str. war damals die VIA PRINCIPALIS, die Hauptstraße des Legionslagers. An den Enden lagen die beiden Toranlagen PORTA PRINCIPALIS DEXTRA und PORTA PRINCIPALIS SINISTRA. Von der südwestlich gelegenen PORTA PRINCIPALIS SINISTRA sind ausreichende Fundamentreste entdeckt worden. Diese Anlage dürfte die älteste Torlage des Lagers gewesen sein. Sie war nachweislich bereits 50 n. Chr. in Stein fertig gestellt ( 7*) und wurde bis zur Auflösung des Legionslagers mehrfach nachgebessert.
Rekonstruktion der Porta Principalis sinistra

Modell und Foto:

Heinz Birkenheuer

Nachweise für einen früheren Holzbau oder einen Neubau konnten bisher nicht erbracht werden. Die Bauweise unterscheidet sich wesentlich von den anderen Toranlagen. Es wird vermutet, dass diese Anlage nur ein großes Flügeltor und keinen äußeren Torhof hatte. Nachträglich könnte zur besseren Einsicht auf die ungeschützte Toraußenseite ein aus der Mauerflucht ragender Wehr- und Treppenturm errichtet worden sein. 10*).
Zwischen Treppenturm der Toranlage und Wehrturm gibt es Anzeichen für einen zusätzlichen Aufgang oder einer Rampe zum Wehrgang. Über den Sinn dieser Nachrüstung gibt keine einheitliche Meinung.

1. 2. 3 Porta Principalis dextra

Die entdeckten Fundamentreste der PORTA PRINCIPALIS DEXTRA sind sehr spärlich und nicht ausreichend für eine Rekonstruktion. Trotzdem wurde versucht aus den Resten ein halbwegs glaubwürdige Ausführung zu rekonstruieren. Die gefundenen Fragmente deuten darauf hin, dass diese Toranlage nicht, wie bisher allgemein angenommen wurde, identisch war mit der Ausführung der Porta Principalis sinistra. Aus den spärlichen Fundamentresten kann man erkennen, dass diese Toranlage einen äußeren Torhof hatte und zwei seitliche Treppentürme mit rechteckigen Grundrissen.

Grundriss Nr.71 - Porta Principalis dextra

Der von Constantin Koenen gezeichnete Grundriss Nr. 71 der Porta Principalis dextra des Neusser Legionslagers und im Vergleich der ergänzte Grundriss von Tillmann Bechert

Ergänzter Grundriss Nr.71

Gezeichnet: Tilmann Bechert

Modell der Porta Principalis dextra

im Legionslager Novaesium
Modell und Foto: Heinz Birkenheuer

Die Ergänzung zeigt den Grundriss eines typischen Lagertortyps aus der flavischen Zeit. Die entscheidenden Merkmale sind der äußere Torhof mit den flankierenden Seitentürmen, die nicht aus der Mauerflucht ragen.
Diese Toranlage ist frühestens in der Regierungszeit des Kaiser Claudius ( 41 bis 54 n. Chr. ), spätestens aber unter Kaiser Vespasian ( 69 bis 79 n. Chr. ) entstanden und hat in seiner Ausführung bis in die zweite Steinbauphase existiert (12*).

1. 2. 4 Porta Decumana

Von den vier Toranlagen des Legionslagers war die PORTA DECUMANA die unbedeutenste Toranlage in der Lagerumwehrung. Sie war zum sicheren Hinterland ausgerichtet und hatte weder repräsentative noch militärische Bedeutung.
Von der PORTA DECUMANA konnten nur zwei Bauausführungen nachgewiesen werden. Über eine aus der Vorzeit bestehende Holzbauweise wurden bisher keine Anzeichen entdeckt. Die von Constantin Koenen erfassten Reste von einer überschneidenden halbrunden Fundamentgründung lassen zwei Interprätationen zu. Zu Einem, der halbrunde Vorhof wurde begonnen aber nicht verwirklicht, zu Anderem man entschied sich wärend der Bauphase für eine einfache Toranlage ohne Vorhof. Endschied man sich für die Ausführung mit einem halbrunden Vorhof, vergleichbar mit der Ausführung der PORTA PRAETORIA *9 ) könnte eine reduzierte Ausführung wegen ihrer Ähnlichkeit wahrscheinlich im gleichen Zeitraum um 80 n. Chr. errichtet worden sein.
Wenn man davon ausgehen, dass der Einsatz von Wurfmaschinen in diesem Bereich nicht vorrangig war, so kommt man zu dem Schluss, dass die Toranlage über keine kompletten Türme verfügte. Vorstellbar wäre, dass der äußere halbrunde Vorhof nur aus einem umgrenzenden Wehrgang bestand. Wegen des Verzichts auf höher liegende Geschützstandorte gab es auch keine Treppentürme. Der Zugang auf den Wehrgang müsste an einer anderen Stelle gewesen sein.
Grabungszeichnung im Bereich der Porta Decumana

Gezeichnet: Constantin Koenenen

Rekonstruktion der Porta Decumana

Rekonstruktion und Foto : H. Birkenheuer

Einige der Fundamentgründungen auf der Innenseite der Toranlage lassen zwei weitere Deutungen zu. Wegen der fehlenden Treppentürme könnte der Aufstieg auf den Wehrgang über eine ungeschützte Außentreppe erfolgt sein. Die große Fundamentgründung – rechts hinter der Rundung – könnte das Fundament für eine Säule gewesen sein, an deren oberstem Endpunkt der Saüle eine hölzerne Rampe auf den Wehrgang führte.
Die links hinter der Rundung gefundenen Fundamente deuten auf eine mögliche Wachstube unterhalb des hölzernen Wehrgangs. Vieles bleibt bei dieser Toranlage eine Spekulation, aber es ist der Versuch, den vereinzelten Fundamenten eine Funktion zuzuordnen.

* 7 ) Gustav Müller - Das römische Neuss / S38
* 8 ) Constantin Koenen - Grabungstafel XVII / Bau 70
* 8.1 ) Tilmann Berchert -Römische Lagertore u. ihre Inschriften / S203
* 9 ) Constantin Koenen - Grabungstafel XVII / Bau 158
* 10 ) Constantin Koenen - Grabungstafel XVII / Bau 158